Interview mit Architekt Philipp Fleper

„Konzept ist eine gute Blaupause für viele andere Kommunen“

In Zeiten von Klimakrise und Energiewende steigen die Betriebskosten für Immobilien in bisher nie dagewesene Höhen auf. Wer heute langfristig bezahlbaren Wohnraum schaffen will, braucht neue Ideen. Das derzeit in Bielefeld entstehende Wohnquartier ist eine Blaupause für viele andere Kommunen in der Region. Und weit darüber hinaus. Denn es bietet viele intelligente Antworten auf aktuelle und neue Fragen der Politik, der Bauverwaltung, der Investoren und der künftigen Bewohner. Welche das sind, erklärt Architekt Philipp Fleper (43) von Fleper Architekten aus Lennestadt-Altenhundem.  

Ein ganzes Stadtquartier zu entwickeln ist sicher keine einfache Aufgabe unter den aktuellen Rahmenbedingungen, oder?

Fleper: Das stimmt. Auf den ersten Blick wirken die unterschiedlichen Ziele der Beteiligten, gespiegelt an den aktuellen Rahmenbedingungen wie eine Quadratur des Kreises. Nehmen Sie nur den Wunsch der Politik nach bezahlbarem Wohnraum bei gleichzeitig extrem steigenden Baukosten. Oder die Wünsche der künftigen Bewohner nach mehr Komfort zu möglichst niedrigen Mieten.

Was muss ein neues Stadtquartier wie die Grünheide können?

Fleper: Möglichst viele Wünsche der Beteiligten unter einen Hut bringen. Die Politik wünscht sich schnell eine möglichst hohe Zahl an bezahlbaren Wohnungen bei geringstmöglichem Flächenverbrauch. Die Bauverwaltung fordert die Einhaltung der Vorgaben eines oft viele Jahre alten Bebauungsplans, der den heutigen Anforderungen an Ökonomie und Ökologie nicht mehr gerecht wird; die künftigen Bewohner wünschen die beste Lage zwischen City und Grün; die Investoren und Bauherren fordern eine nachhaltige Anlage mit möglichst hoher Rendite.

Ist die Quadratur des Kreises auflösbar?

Fleper: Wir meinen, ja. Wenn alle Beteiligten mitziehen, die bestmögliche Lösung wollen. Und wenn man Neues wagen darf. Das ist in der Grünheide in Bielefeld in vielen Bereichen wirklich gut angelaufen. Und wir hoffen inständig, dass das auch so bleibt.

Woran misst man die Qualität eines Quartierskonzepts?

Fleper: Daran, wie sehr die Konzepte in der Lage sind, möglichst viele Ansprüche zu erfüllen. Vielfalt in den Wohnungsgrößen ist gefragt, helle, gut geschnittene Räume, Balkone natürlich. Und auch ein Aufzug in jedem Gebäude. Eine intelligente Energieversorgung. All das was die Bewohner langfristig glücklich macht, sichert zusammen mit einer fachgerechten Bauausführung die von den Bauherren geforderte Nachhaltigkeit ihres Investments.

Wie kalkuliert an die einzelnen Bauabschnitte eines großen Baugebiets wie der Grünheide?

Fleper: Die Kalkulation von gestern kann morgen schon Makulatur sein. Man muss für jeden Bauabschnitt neu rechnen und neu entscheiden. Und dabei nach Möglichkeit all die Handwerker, Zulieferer und Dienstleister, die gute Arbeit machen, dazu begeistern, an dem großen Projekt weiterzuarbeiten.

Woran erkennt man heute eine gute Architektur?

Fleper: Gute Architektur ist nicht nur ansprechende Gestaltung und erst recht keine Frage des Geschmacks. Städtebaulich müssen sich die Baukörper in Größe und Form in die Umgebung einfügen und auf die Örtlichkeit respektvoll reagieren, aber gleichzeitig auch eine eigene Identität und Architektursprache zum Ausdruck bringen. Gute Architektur folgt einem stringenten Konzept, das an entscheidenden Stellen variiert, aber keinen Stilbruch erleiden darf. Sie bietet in den Straßenzügen ein gewisses Gleichmaß in den Kubaturen, den Gebäudeformen und -größen. Und von Gebäude zu Gebäude gestalterische Unterschiede.

Wie definieren Sie Ihre Ziele? Was hat Sie inspiriert?

Fleper: Die Architektur muss zeitlos sein und nicht einem aktuellen Trend folgen. Gute Architektur ist von einer gewissen Schlichtheit und dezenter Eleganz geprägt und funktioniert auch in 30 Jahren noch. Neben einer klaren Formensprache, gut organisierten Grundrissen, lichtdurchfluteten Räumen und der Barrierefreiheit ist auch das Zusammenspiel zwischen innen und außen erforderlich. Damit meine ich auch qualitativ ansprechende Außenanlagen, die mit den Gebäuden als Gesamtkomposition wirken. Ein gutes Beispiel dafür ist der Bauhausstil der 1920er Jahre, ein Meilenstein der Architektur, der mich auch heute noch unglaublich fasziniert.

Warum ist die Bielefelder Grünheide eine gute Blaupause für andere Kommunen?

Fleper: Weil wir in einem Quartier zwischen City und grünem Stadtrand fast 700 neue Wohnungen schaffen. Und zwar für alle Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen Wohnbedürfnissen. So flächensparsam wie es eben möglich ist. Und mit einem innovativen und konsequent regenerativen Energiekonzept des Bielefelder Fachplaners Michael Kapke vom Ingenieurbüro Reich + Hölscher, das über Jahre helfen wird, die Betriebskosten der Mieter im Griff zu behalten.

 

Nur so eine Frage: Könnte man es noch besser machen?

Fleper: Besser geht immer, es muss sich nur rechnen. Und zwar für alle Beteiligten – für die Bewohner, die Stadt, den Investor und die Umwelt. Eine höhere Ausnutzung der Flächen durch mehr Geschosse wäre in Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit sicherlich wünschenswert. Hilfreich wäre auch eine Erdwärmenutzung, die in der Grünheide aufgrund der Bodenverhältnisse leider nicht wirtschaftlich darstellbar war. Auch mit einem Windrad oder einer Biogasanlage in Sichtweite könnte man den Energiebedarf eines neuen Wohnquartiers noch besser decken.

Was würden Sie sich für das nächste große Wohnquartier wünschen?

Fleper: Zum einen eine Kommunalpolitik und ein örtliches Bauamt, die jeden Bebauungsplan dahingehend prüfen, inwieweit die vor Jahren getroffenen Festsetzungen mit den aktuellen Interessen der Investoren und der Mieter übereinander passen. Zum anderen Bauherren oder Investoren, die mutig genug sind, quer zu denken und neue Wege zu gehen. Zudem braucht eine nachhaltige Stadtplanung zukunftsorientierte Energiekonzepte. Und alle Beteiligten sollten flexibel genug sein, um die bestmögliche Lösung statt des kleinsten gemeinsamen Nenners zu erreichen.